Erin Brokowich ist nicht die einzige Heldin in den USA.
Charlotte, North
Carolina, ist nach New York City die zweitgrößte Finanzstadt der USA. Auch der
größte Stromerzeuger in den USA, Duke Energy, hat seinen Hauptsitz in Charlotte.
Die Stadt liegt am Catawba Fluss, der nach dem Stamme der Catawba Indianer benannt
ist (“Menschen des Flusses”). Der Catawba Fluss hat viel von seiner
ursprünglich uneingeschränkt fließenden Sorglosigkeit eingebüßt, die ihn
kennzeichnete, als er noch Lebensort und -ader der Catawba Indianer war.
Charlotte ist
heute eine 1,5 Millionen-Einwohner-Metropole in den Südstaaten, etwa 800
Kilometer südlich von Washington DC. Der 350 Kilometer lange Catawba Fluss wurde
seit Anfang des 20 Jahrhunderts durch verschiedene Staudämme zu 11 Seen
zwischen den Blue Ridge Mountains und den Atlantik umreguliert. Um Charlotte
herum wird der Catawba Fluss in drei Seen unterteilt: Mountain Island Lake,
Lake Wylie und Lake Norman.
Diese drei Gewässer
und ihre Ufer erfüllen heutzutage viele Funktionen: Sie werden genutzt
· - als Wassergrundstück für Hunderttausend
Einwohner,
· - zur Freizeitnutzung (Motorboot fahren und Fischen durch Anrainer
· - für Kühlflüssigkeit für zwei
Atomkraftwerke,
· - als unmittelbares Randgebiet von vier der
insgesamt 44 „High Hazard Coal Ash Ponds” (Kohleascheablagerungsteiche von
Kohlekraftwerken mit hohem Gefährdungspotential). Diese sind von der US
Environmental Protection Agency (EPA) als solche ausgewiesen und sind noch
unreglementiert.
· - als Wasserzulieferer für zwei
Wasserkraftwerke,
· - als Zufluss von mehreren Kläranlagen von
der Stadt Charlotte (fuenf alleine von der Stadt) und umliegende Staedte, sowie
von eine Unzahl an Sickergruben und Regenwasserzulaufbecken,
· - als Sammelbecken für Herbizide, Pestizide
und Düngemittel der Gärten der umliegenden Wohngebiete,
· - als Gewässer, in dem viele kleine Flüsse
enden, die auf ihrem Weg dorthin durch Erosion und Sedimentation stark
verschmutzt werden und trotz alledem,
· - auch als Trinkwasserreservoir für mehr als
800.000 Einwohner von Charlotte und umliegende Gemeinden.
Der Charlotte
Mecklenburg Utilities District (CMUD) betreibt drei angrenzenden
Trinkwasseranlagen, sowie fuenf Kläranlagen und schafft es trotz all diesen
unvorteilhaften Gegebenheiten, das Trinkwasser und die Kläranlagenabwasser auf
die nationalen per Environmental Protection Agency („EPA“) akzeptablen
Standards zu bringen. Nicht alle Kläranlagenbetreiber an diesen Gewässern sind
so erfolgreich wie CMUD.
In den letzten
Jahren gab es eine Handvoll von Kläranlagenüberflutungen in die Catawba hinein
(Regenwasserueberlauf ist ein eigenes grosses Problem, die seit ein paar Jahren
aggressive mit Zulaufbecken versucht wird zu kontrollieren). Diese Überläufe
sind aber rechtswidrig und werden bestraft. Viele kleinere Kläranlagebetreiber
klagen, dass sie wegen immer geringer werdender Budgets und gleichzeitig höheren
Strafen unter finanziellem Druck stehen und oft Anlagenerneuerungen verschieben
müssen, um Strafen zu bezahlen. Die Betreiber einer Kläranlage einer 8000
Einwohner großen Gemeinde bei Charlotte musste neulich eine Strafe von $136.000
für einen Abwasserüberlauf in die Catawba zahlen.
Am 2.
Februar 2014 gab es bei einem Bruch in einem Kohleascheteich (von einem 276 MW
Duke Energy Kohlekraftwerk) am Dan Fluss im Norden von North Carolina eine
Verschmutzung von 50.000 bis 82.000 Tonnen Kohleasche. Bis zu 100 Millionen
Liter Kohleaschewasser verschmutzten den Fluss mit toxischen Schwermetallen. Da
es für Teiche jedoch keine ausreichenden Schutzbestimmungen gibt, muss die Firma Duke Energy (die $25
Milliarden Einnahmen in 2013 hatte) für die
toxische Verschmutzung aus einem Betrieb, der 200.000 Kunden versorgt, keine
Strafe zahlen. Ein starker Kontrast zu $136.000 für einen 8000-Kunden-Betrieb.
Ein positiver
Nebeneffekt dieses Dammbruchs beim Kohleascheteich ist, dass endlich die vier
Kohleascheablagerteiche an Charlotte’s Trinkwasserreservoir negativ in den
Medien stehen. Jahrelang wurde dieses latente Problem der Existenz der
Kohleascheablagerteiche ignoriert und kaum überwacht – nur die Dämme wurden auf
Anweisung hin alle 5 Jahre einer Inspektion unterzogen. Und nach diesem
Dammbruch beim Kohleascheteich am Dan Fluss, wird nun der Betreiber der
Kohlekraftwerke und der Teiche, Duke Energy, nach langem politischen und juristischen
Drama gezwungen, sämtliche Kohleascheteiche aller Kohlkraftwerke in North
Carolina zu leeren und die Kohleasche anders zu lagern bzw. zu verwerten. Wie,
ist noch nicht bekannt.
Gleichzeitig wird
die Daseinsberechtigung der Ablagerteiche der Kohlekraftwerkaschen auf mehreren
Ebenen in Frage gestellt. Und endlich wächst in der Bevölkerung ein Bewusstsein
für die Gefahren ihres Trinkwassers, mit denen sich bisher nur ein paar
Buergerinitiativen auseinandergesetzt haben.
Die Buergerinitiative
Catawba River Keepers (“Beschützer des Catawba Flusses”) überwachen schon
einige Jahre diese Teiche. Im Trend ist es nicht gerade, Umwelt- oder
Trinkwasserschutz zu betreiben. Die “Catawba River Keepers” sind eine
Umweltschutzorganisation, die auf den Fluss achtet und Bewusstsein für die
Probleme schaffen will. Sie besteht aus einer Handvoll Angestellten, die durch
Mitgliedsbeiträge oder Wohltätigkeitsveranstaltungen (wie Stand Up Paddeling
Wettkaempfe) finanziert werden.
Trotz bescheidener
Finanzierung und Unterstützung haben die Catawba River Keepers Proben und
Studien über den Catawba Fluss gemacht. Ihre Studien deuten darauf hin, dass
die Kohleasche Substanzen (toxische Schwermetalle wie vor allem Arsen),
ins Grundwasser um die Kohleascheteiche abgibt. Außerdem wurde bewiesen, dass
die Schwermetalle zwar zum Boden der Gewässer sedimentieren, sich mit der Zeit jedoch im Wasser lösen. Das
erklärt, warum die Schwermetalle in den Fischen im Catawba zu finden sind.
Diese Information wurde in der Öffentlichkeit publik und deswegen erwägt die lokale
Gesundheitsorganisation nun, den Konsum von Fisch aus den Catawbaseen nicht
uneingeschränkt zu empfehlen.
Rätselhaft
bleibt, warum beim größten Stromversorger des reichsten Landes der Welt toxische
Teiche am Rande von einem Trinkwasserreservoir für mehr als 800.000 Einwohner
ohne Regulierung und ohne Schutz betrieben werden konnten. Die vier Teiche mit
insgesamt zwei Milliarden Kilogramm Kohleasche, sind vom Trinkwasserreservoir
nur durch einem Erddamm ohne physische Barriere wie Vlies, Folie oder sonstige
dichte Trennung geschützt.
Diese
umweltunfreundliche Einstellung wurde in den letzten Jahren in North Carolina
mit einer stark Republikanischen Führung noch schlimmer. North Carolina wurde jahrzehntelang
von einer Demokratischen Herrschaft regiert, die den Umweltschutz unterstützte.
Die von den Demokraten eingeführten Umweltschutzmaßnahmen wurden nun jedoch
von dem mehrheitlich Republikanischen Staatshaus und -Senat rückgängig gemacht,
indem jedes einzelne Wasserschutzgesetz durch eine wieder eingeführte “Rules
and Regulation“ Behörde kritisch untersucht wurde. Auch die Budgets der
Umweltämter wurden drastisch gekürzt. Auch bei der Environmental Management
Commission (EMC) wurden alle Vorstandsmitglieder vom Republikanischen
Gouverneur neu ernannt. Diese Organisation kontrolliert das Department of Natural
Resources (DENR), das für die Umsetzung aller Umweltregulierungen zuständig
ist. Das DENR bekam auch einen neuen Vorstandsvorsitzenden, welcher unter der
Leitung von EMC arbeitet. Er machte den verbliebenen DENR Angestellten klar,
dass sie nun ihre Bemühungen auf
Kompromissfähigkeit für “die Geschaeftswelt“ (sprich den Betrieb der Firmen nicht mit Umweltverordnungen zu erschweren) konzentrieren
sollen. Daraufhin haben einige Angestellte des DENR aus ethischen Gründen ihre
Posten verlassen – sie wollten schließlich der Umwelt und nicht der Geschäftswelt
dienen.
Das Leben wurde
also für die Catawba River Keepers noch schwerer. Sie mussten nun auch auf die
Unterstützung vom DENR verzichten. Immerhin konnten sie die Bevölkerung
informieren, welche Gesetze nun in Gefahr waren, eliminiert zu werden und welche
geändert wurden. Zum Beispiel, was Kohleascheteiche betraf: Die Verantwortung
für eine Umweltverschmutzung wurde manipuliert. Wenn Verschmutzungen außerhalb
der Grundstücksgrenze eines Betreibers auftreten, ist dieser nicht für dafür
verantwortlich zu machen, auch wenn sie durch ihn verschuldet wurden. Sollten also außerhalb des Grundstückes eines
Teichbetriebes toxische Schwermetalle in dem Sediment im See gefunden werden, liegt
dies nicht im Verantwortungsbereich des Teichbetreibers.
Für den Fall,
dass im Gewässer toxische Werte von Kohleasche entdeckt werden, findet statt
einer sofortigen Sanierung zuerst eine Bewertung statt, obwohl es genügend
Informationen zur Problematik gibt. Zurecht bedauern Umweltschützer, dass diese
Verzögerungstaktik der Zeitbombe nur mehr Zündstoff gibt.
Die Catawba River
Keepers musste also ihre Strategie ändern und die Entscheidungsträger in typisch
amerikanischer Art begegnen - mit einer Klage.
Die Catawba River
Keepers haben durch die Southern Environmental Law Group gegen Duke Energy
geklagt. Die Klage lautet, Duke Energy hielte die Bestimmungen des „Clean Water
Act“ nicht ein, da Duke Energy mit ihrer Kohleasche das Trinkwasser von
Charlotte und Umgebung verschmutze. Die Southern Environmental Law Group war
mit einer vergleichbaren Klage im Bundesstaat von South Carolina erfolgreich
und hatte den größten Stromversorger dort dazu gebracht, ihre Kohleascheteiche
freiwillig zu sanieren.
So leicht war es
in North Carolina nicht. Laut Gesetz wird eine Klage im Auftrag von Bürgern (in
dem Fall die Catawba River Keepers) nichtig, wenn der Bundesstaat eine eigene
Klage innerhalb von 60 Tagen nach der ursprünglichen Bürgerklage einreicht. Wenige
Tage vor Ablauf der 60 Tage hat die DENR im Namen des Bundesstaats North
Carolina eine eigene Klage eingereicht und damit die ursprüngliche Klage
gegenstandslos gemacht.
Die Klage des
DENR war jedoch offensichtlich politisches Manöver zwischen Republikanischer Führung
im Bundesstaat und der Führung des DENR – bei der Klage war es um lächerliche
$90.000 gegangen - eine Summe, die der toxischen Relevanz der Kohleascheteiche für die Umwelt mitnichten
gerecht wird. Die Catawba River Keepers legten also gegen die Legitimität
dieser Klage Einspruch.
Aber dann hat das
Schicksal nachgeholfen. Der Dammbruch beim Kohleascheteich im Norden des
Staates machte der Bevölkerung auf einen Schlag klar, welche massive Gefährdung
für Charlottes Trinkwasser diese Umweltverschmutzung bedeutete. Der Richter,
der über die Klagen urteilen wird, hat neue Erkenntnisse gewonnen und verlangt
nun neue Untersuchungen von Duke Energy und DENR. Gleichzeitig wurde eine Grand
Jury gegen den Dammbruch einberufen, die Information über Betrieb und
Inspektionen aller Kohleascheteiche verlangt. Es beginnt nun eine Katz- und Mausspiel
bezüglich der Informationstransparenz – Duke Energy will aus ersichtlichen
Gründen nicht alles offenlegen.
Politisch ist es
auch etwas peinlich für den Republikanischen Gouverneur Pat McCrory: Er arbeitete
nicht nur über Jahrzehnte für Duke Energy, sondern hat als Gouverneur alle neuen
umweltunfreundlichen Gesetze unterschrieben. Seinen Ruf in der Öffentlichkeit
wollte er anschließend mit ein paar Aussagen gegen Kohleasche und nicht ernst
gemeinten Drohungen verbessern.
Tatsächlich aber
geschieht nun dank des Dammbruchs und dank der langfristigen und gewissenhaften
Arbeit der Catawba River Keepers und des Southern Environmental Law Center
einiges, das den ewigen Status Quo der Kohleascheteiche ändern wird – die
Richter haben nun viele eindeutige Anhaltspunkte durch Studien. Die EPA möchte ab
Dezember 2014 Richtlinien zum Umgang mit Kohleasche einführen. Gleichzeitig möchte
die Gesetzgebung North Carolinas auch klare gesetzliche Rahmenbedingungen
schaffen und verworfene Umweltgesetze wieder in Kraft setzen. Hierbei spielen
vor allem die Verantwortungsgrenzen bei Umweltverschmutzung eine wichtige Rolle
sowie der erhöhte Druck, zu sanieren statt wie bisher immer nur zu evaluieren.
Vielleicht kann
und will sogar der Gouverneur nun ernsthaft Einfluss nehmen, wenn er Duke
Energie öffentliche Briefe schreibt und dabei der Firma droht, sie mögen die
Kohleascheteiche besser sanieren, “da sonst […]”.
Schlussendlich
haben nur der Richter und die Grand Jury das Sagen, die jetzt die Daten und
Informationen der echten Experten durchschauen. Es bleibt abzuwarten, ob die
Kohleasche nun bald am schnell expandierenden Flughafen Charlotte wiederverwertet
wird oder nicht. Das wäre in jedem Fall eine attraktive Lösung.
Egal wie es kommt,
die Buergerinitativen haben mit der Kohleaschesituation in Charlotte noch viel
Arbeit vor sich. Vor allem die Durchdringung und optimale Nutzung der
Bürgerrechte spielen hierbei eine zentrale Rolle. Wichtig ist, dass die Bevölkerung
von Charlotte weiß, wie dankbar sie für diese Buergerinitiativen sein sollen, die
gegen den Strom schwimmt, um zu ermöglichen, dass das Trinkwasser für Charlotte
trinkbar und vor einer toxischen Verschmutzung verschont bleibt.
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