Friday, May 9, 2014

Umweltpolitik in North Carolina 2014

Erin Brokowich ist nicht die einzige Heldin in den USA.

Charlotte, North Carolina, ist nach New York City die zweitgrößte Finanzstadt der USA. Auch der größte Stromerzeuger in den USA, Duke Energy, hat seinen Hauptsitz in Charlotte. Die Stadt liegt am Catawba Fluss, der nach dem Stamme der Catawba Indianer benannt ist (“Menschen des Flusses”). Der Catawba Fluss hat viel von seiner ursprünglich uneingeschränkt fließenden Sorglosigkeit eingebüßt, die ihn kennzeichnete, als er noch Lebensort und -ader der Catawba Indianer war.

Charlotte ist heute eine 1,5 Millionen-Einwohner-Metropole in den Südstaaten, etwa 800 Kilometer südlich von Washington DC. Der 350 Kilometer lange Catawba Fluss wurde seit Anfang des 20 Jahrhunderts durch verschiedene Staudämme zu 11 Seen zwischen den Blue Ridge Mountains und den Atlantik umreguliert. Um Charlotte herum wird der Catawba Fluss in drei Seen unterteilt: Mountain Island Lake, Lake Wylie und Lake Norman.

Diese drei Gewässer und ihre Ufer erfüllen heutzutage viele Funktionen:  Sie werden genutzt
·     -  als Wassergrundstück für Hunderttausend Einwohner,
·      - zur Freizeitnutzung  (Motorboot fahren und Fischen  durch Anrainer
·      - für Kühlflüssigkeit für zwei Atomkraftwerke,
·      - als unmittelbares Randgebiet von vier der insgesamt 44 „High Hazard Coal Ash Ponds” (Kohleascheablagerungsteiche von Kohlekraftwerken mit hohem Gefährdungspotential). Diese sind von der US Environmental Protection Agency (EPA) als solche ausgewiesen und sind noch unreglementiert.
·      - als Wasserzulieferer für zwei Wasserkraftwerke,
·      - als Zufluss von mehreren Kläranlagen von der Stadt Charlotte (fuenf alleine von der Stadt) und umliegende Staedte, sowie von eine Unzahl an Sickergruben und Regenwasserzulaufbecken,
·      - als Sammelbecken für Herbizide, Pestizide und Düngemittel der Gärten der umliegenden Wohngebiete,
·      - als Gewässer, in dem viele kleine Flüsse enden, die auf ihrem Weg dorthin durch Erosion und Sedimentation stark verschmutzt werden und trotz alledem,
·      - auch als Trinkwasserreservoir für mehr als 800.000 Einwohner von Charlotte und umliegende Gemeinden.

Der Charlotte Mecklenburg Utilities District (CMUD) betreibt drei angrenzenden Trinkwasseranlagen, sowie fuenf Kläranlagen und schafft es trotz all diesen unvorteilhaften Gegebenheiten, das Trinkwasser und die Kläranlagenabwasser auf die nationalen per Environmental Protection Agency („EPA“) akzeptablen Standards zu bringen. Nicht alle Kläranlagenbetreiber an diesen Gewässern sind so erfolgreich wie CMUD.
In den letzten Jahren gab es eine Handvoll von Kläranlagenüberflutungen in die Catawba hinein (Regenwasserueberlauf ist ein eigenes grosses Problem, die seit ein paar Jahren aggressive mit Zulaufbecken versucht wird zu kontrollieren). Diese Überläufe sind aber rechtswidrig und werden bestraft. Viele kleinere Kläranlagebetreiber klagen, dass sie wegen immer geringer werdender Budgets und gleichzeitig höheren Strafen unter finanziellem Druck stehen und oft Anlagenerneuerungen verschieben müssen, um Strafen zu bezahlen. Die Betreiber einer Kläranlage einer 8000 Einwohner großen Gemeinde bei Charlotte musste neulich eine Strafe von $136.000 für einen Abwasserüberlauf in die Catawba zahlen.

Am 2. Februar 2014 gab es bei einem Bruch in einem Kohleascheteich (von einem 276 MW Duke Energy Kohlekraftwerk) am Dan Fluss im Norden von North Carolina eine Verschmutzung von 50.000 bis 82.000 Tonnen Kohleasche. Bis zu 100 Millionen Liter Kohleaschewasser verschmutzten den Fluss mit toxischen Schwermetallen. Da es für Teiche jedoch keine ausreichenden Schutzbestimmungen gibt, muss die Firma Duke Energy (die $25 Milliarden Einnahmen in 2013 hatte) für die toxische Verschmutzung aus einem Betrieb, der 200.000 Kunden versorgt, keine Strafe zahlen. Ein starker Kontrast zu $136.000 für einen 8000-Kunden-Betrieb.
Ein positiver Nebeneffekt dieses Dammbruchs beim Kohleascheteich ist, dass endlich die vier Kohleascheablagerteiche an Charlotte’s Trinkwasserreservoir negativ in den Medien stehen. Jahrelang wurde dieses latente Problem der Existenz der Kohleascheablagerteiche ignoriert und kaum überwacht – nur die Dämme wurden auf Anweisung hin alle 5 Jahre einer Inspektion unterzogen. Und nach diesem Dammbruch beim Kohleascheteich am Dan Fluss, wird nun der Betreiber der Kohlekraftwerke und der Teiche, Duke Energy, nach langem politischen und juristischen Drama gezwungen, sämtliche Kohleascheteiche aller Kohlkraftwerke in North Carolina zu leeren und die Kohleasche anders zu lagern bzw. zu verwerten. Wie, ist noch nicht bekannt.

Gleichzeitig wird die Daseinsberechtigung der Ablagerteiche der Kohlekraftwerkaschen auf mehreren Ebenen in Frage gestellt. Und endlich wächst in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die Gefahren ihres Trinkwassers, mit denen sich bisher nur ein paar Buergerinitiativen auseinandergesetzt haben.

Die Buergerinitiative Catawba River Keepers (“Beschützer des Catawba Flusses”) überwachen schon einige Jahre diese Teiche. Im Trend ist es nicht gerade, Umwelt- oder Trinkwasserschutz zu betreiben. Die “Catawba River Keepers” sind eine Umweltschutzorganisation, die auf den Fluss achtet und Bewusstsein für die Probleme schaffen will. Sie besteht aus einer Handvoll Angestellten, die durch Mitgliedsbeiträge oder Wohltätigkeitsveranstaltungen (wie Stand Up Paddeling Wettkaempfe) finanziert werden.

Trotz bescheidener Finanzierung und Unterstützung haben die Catawba River Keepers Proben und Studien über den Catawba Fluss gemacht. Ihre Studien deuten darauf hin, dass die Kohleasche Substanzen (toxische Schwermetalle wie vor allem Arsen), ins Grundwasser um die Kohleascheteiche abgibt. Außerdem wurde bewiesen, dass die Schwermetalle zwar zum Boden der Gewässer sedimentieren,  sich mit der Zeit jedoch im Wasser lösen. Das erklärt, warum die Schwermetalle in den Fischen im Catawba zu finden sind. Diese Information wurde in der Öffentlichkeit publik und deswegen erwägt die lokale Gesundheitsorganisation nun, den Konsum von Fisch aus den Catawbaseen nicht uneingeschränkt zu empfehlen.

Rätselhaft bleibt, warum beim größten Stromversorger des reichsten Landes der Welt toxische Teiche am Rande von einem Trinkwasserreservoir für mehr als 800.000 Einwohner ohne Regulierung und ohne Schutz betrieben werden konnten. Die vier Teiche mit insgesamt zwei Milliarden Kilogramm Kohleasche, sind vom Trinkwasserreservoir nur durch einem Erddamm ohne physische Barriere wie Vlies, Folie oder sonstige dichte Trennung geschützt.

Diese umweltunfreundliche Einstellung wurde in den letzten Jahren in North Carolina mit einer stark Republikanischen Führung noch schlimmer. North Carolina wurde jahrzehntelang von einer Demokratischen Herrschaft regiert, die den Umweltschutz unterstützte. Die von den Demokraten eingeführten Umweltschutzmaßnahmen wurden nun jedoch von dem mehrheitlich Republikanischen Staatshaus und -Senat rückgängig gemacht, indem jedes einzelne Wasserschutzgesetz durch eine wieder eingeführte “Rules and Regulation“ Behörde kritisch untersucht wurde. Auch die Budgets der Umweltämter wurden drastisch gekürzt. Auch bei der Environmental Management Commission (EMC) wurden alle Vorstandsmitglieder vom Republikanischen Gouverneur neu ernannt. Diese Organisation kontrolliert das Department of Natural Resources (DENR), das für die Umsetzung aller Umweltregulierungen zuständig ist. Das DENR bekam auch einen neuen Vorstandsvorsitzenden, welcher unter der Leitung von EMC arbeitet. Er machte den verbliebenen DENR Angestellten klar, dass sie nun ihre Bemühungen auf  Kompromissfähigkeit für “die Geschaeftswelt“ (sprich den Betrieb der Firmen nicht mit Umweltverordnungen zu erschweren) konzentrieren sollen. Daraufhin haben einige Angestellte des DENR aus ethischen Gründen ihre Posten verlassen – sie wollten schließlich der Umwelt und nicht der Geschäftswelt dienen.

Das Leben wurde also für die Catawba River Keepers noch schwerer. Sie mussten nun auch auf die Unterstützung vom DENR verzichten. Immerhin konnten sie die Bevölkerung informieren, welche Gesetze nun in Gefahr waren, eliminiert zu werden und welche geändert wurden. Zum Beispiel, was Kohleascheteiche betraf: Die Verantwortung für eine Umweltverschmutzung wurde manipuliert. Wenn Verschmutzungen außerhalb der Grundstücksgrenze eines Betreibers auftreten, ist dieser nicht für dafür verantwortlich zu machen, auch wenn sie durch ihn verschuldet wurden.  Sollten also außerhalb des Grundstückes eines Teichbetriebes toxische Schwermetalle in dem Sediment im See gefunden werden, liegt dies nicht im Verantwortungsbereich des Teichbetreibers.
Für den Fall, dass im Gewässer toxische Werte von Kohleasche entdeckt werden, findet statt einer sofortigen Sanierung zuerst eine Bewertung statt, obwohl es genügend Informationen zur Problematik gibt. Zurecht bedauern Umweltschützer, dass diese Verzögerungstaktik der Zeitbombe nur mehr Zündstoff gibt.

Die Catawba River Keepers musste also ihre Strategie ändern und die Entscheidungsträger in typisch amerikanischer Art begegnen - mit einer Klage.

Die Catawba River Keepers haben durch die Southern Environmental Law Group gegen Duke Energy geklagt. Die Klage lautet, Duke Energy hielte die Bestimmungen des „Clean Water Act“ nicht ein, da Duke Energy mit ihrer Kohleasche das Trinkwasser von Charlotte und Umgebung verschmutze. Die Southern Environmental Law Group war mit einer vergleichbaren Klage im Bundesstaat von South Carolina erfolgreich und hatte den größten Stromversorger dort dazu gebracht, ihre Kohleascheteiche freiwillig zu sanieren.

So leicht war es in North Carolina nicht. Laut Gesetz wird eine Klage im Auftrag von Bürgern (in dem Fall die Catawba River Keepers) nichtig, wenn der Bundesstaat eine eigene Klage innerhalb von 60 Tagen nach der ursprünglichen Bürgerklage einreicht. Wenige Tage vor Ablauf der 60 Tage hat die DENR im Namen des Bundesstaats North Carolina eine eigene Klage eingereicht und damit die ursprüngliche Klage gegenstandslos gemacht.

Die Klage des DENR war jedoch offensichtlich politisches Manöver zwischen Republikanischer Führung im Bundesstaat und der Führung des DENR – bei der Klage war es um lächerliche $90.000 gegangen - eine Summe, die der toxischen  Relevanz der Kohleascheteiche für die Umwelt mitnichten gerecht wird. Die Catawba River Keepers legten also gegen die Legitimität dieser Klage Einspruch.

Aber dann hat das Schicksal nachgeholfen. Der Dammbruch beim Kohleascheteich im Norden des Staates machte der Bevölkerung auf einen Schlag klar, welche massive Gefährdung für Charlottes Trinkwasser diese Umweltverschmutzung bedeutete. Der Richter, der über die Klagen urteilen wird, hat neue Erkenntnisse gewonnen und verlangt nun neue Untersuchungen von Duke Energy und DENR. Gleichzeitig wurde eine Grand Jury gegen den Dammbruch einberufen, die Information über Betrieb und Inspektionen aller Kohleascheteiche verlangt. Es beginnt nun eine Katz- und Mausspiel bezüglich der Informationstransparenz – Duke Energy will aus ersichtlichen Gründen nicht alles offenlegen.

Politisch ist es auch etwas peinlich für den Republikanischen Gouverneur Pat McCrory: Er arbeitete nicht nur über Jahrzehnte für Duke Energy, sondern hat als Gouverneur alle neuen umweltunfreundlichen Gesetze unterschrieben. Seinen Ruf in der Öffentlichkeit wollte er anschließend mit ein paar Aussagen gegen Kohleasche und nicht ernst gemeinten Drohungen verbessern.

Tatsächlich aber geschieht nun dank des Dammbruchs und dank der langfristigen und gewissenhaften Arbeit der Catawba River Keepers und des Southern Environmental Law Center einiges, das den ewigen Status Quo der Kohleascheteiche ändern wird – die Richter haben nun viele eindeutige Anhaltspunkte durch Studien. Die EPA möchte ab Dezember 2014 Richtlinien zum Umgang mit Kohleasche einführen. Gleichzeitig möchte die Gesetzgebung North Carolinas auch klare gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen und verworfene Umweltgesetze wieder in Kraft setzen. Hierbei spielen vor allem die Verantwortungsgrenzen bei Umweltverschmutzung eine wichtige Rolle sowie der erhöhte Druck, zu sanieren statt wie bisher immer nur zu evaluieren.

Vielleicht kann und will sogar der Gouverneur nun ernsthaft Einfluss nehmen, wenn er Duke Energie öffentliche Briefe schreibt und dabei der Firma droht, sie mögen die Kohleascheteiche besser sanieren, “da sonst […]”.
Schlussendlich haben nur der Richter und die Grand Jury das Sagen, die jetzt die Daten und Informationen der echten Experten durchschauen. Es bleibt abzuwarten, ob die Kohleasche nun bald am schnell expandierenden Flughafen Charlotte wiederverwertet wird oder nicht. Das wäre in jedem Fall eine attraktive Lösung.


Egal wie es kommt, die Buergerinitativen haben mit der Kohleaschesituation in Charlotte noch viel Arbeit vor sich. Vor allem die Durchdringung und optimale Nutzung der Bürgerrechte spielen hierbei eine zentrale Rolle. Wichtig ist, dass die Bevölkerung von Charlotte weiß, wie dankbar sie für diese Buergerinitiativen sein sollen, die gegen den Strom schwimmt, um zu ermöglichen, dass das Trinkwasser für Charlotte trinkbar und vor einer toxischen Verschmutzung verschont bleibt.

No comments:

Post a Comment